Handtherapie

 

Die Bedeutsamkeit der Hand bemerken wir meist erst dann, wenn durch Krankheit oder anderen Schädigungen die Handfunktion eingeschränkt ist. Schon kleinste Verletzung können die einzigartige Funktionalität der Hand beeinträchtigen und damit den Alltag und das Berufsleben einschränken. Bei der Behandlung einer gestörten Handfunktion ist es wichtig, die Hand nicht als Einzelstruktur vom Körper getrennt zu betrachten, sondern diese als integrierte Einheit des menschlichen Organismus zu verstehen. Dabei müssen Wechselwirkungen zu anderen Gelenken und Organen berücksichtigt werden.
Je nach Art und Verletzung, dem persönlichen Beschwerdebild des Patienten und in Rücksprache mit dem Arzt werden die ergotherapeutischen Maßnahmen geplant und als Behandlung durchgeführt.

 

„Die Handtherapie ist die Kunst und Wissenschaft der Rehabilitation der oberen Extremität. Sie hat sich aus den Berufen der Physiotherapie und Ergotherapie entwickelt. Der Hand-Therapeut/die -Therapeutin vereinigt vielseitiges Wissen über die obere Extremität mit spezialisierten Fähigkeiten in der Erfassung und Behandlung, um Funktionsstörungen zu verhindern, Funktionen wieder herzustellen oder auch um das Fortschreiten von Erkrankungen in der oberen Extremität aufzuhalten.
Ziel der Handtherapie ist, die Möglichkeit des Individuums mit Funktionsstörungen der oberen Extremität zu verbessern, zudem Maßnahmen in der Rehabilitation der oberen Extremität zu differenzieren, weiter zu entwickeln und zu verbreiten.“(Zitat von Chai et al. 1987)

 

Die Therapie der Hand umfaßt die gesamte obere Extremität unter Einbezug der Wirbelsäule und des Rückens, da diese einen großen Einfluß auf den Arm haben.Sie umfasst das gesamte Spektrum der akuten konservativen, bzw. postoperativen Behandlung, bis hin zu berufsvorbereitenden Maßnahmen.Die zu behandelnden Krankheitsbilder und Verletzungen weisen eine Vielzahl von Problemen und Symptomen auf, die zur Beeinträchtigung von körperlichen und, je nach Umfang, Schweregrad und Dauer, geistig-psychischen Funktionen führen können.

 

Es kommt unter Umständen zu

  • muskulären Schwächen und einem gestörten muskulären Gleichgewicht
  • Einschränkungen im Bewegungsausmaß eines oder mehrerer Gelenke
  • Sensibilitätsstörungen unterschiedlicher Qualität und Quantität
  • Ödemen
  • Kontrakturen und Ankylosen
  • Gestörten Bewegungs- und Haltungsmustern
  • Schmerzsyndromen
  • Mangelnder Koordinationsfähigkeit
  • Gelenkdeformitäten
  • Gestörter Narbenbildung
  • Tonusveränderungen der Muskulatur

 

Behandlungsziele

  • Ziel der Handtherapie ist es, mit dem Patienten ein Maximum an Lebensqualität sicher zu stellen und eine größtmögliche Selbstständigkeit in allen Bereichen Ihrer persönlichen, häuslichen und beruflichen Lebensführung zu erreichen oder zu erhalten. Körperliche Folgen der Grunderkrankung werden durch handtherapeutische Maßnahmen gemildert, vorhandene Fähigkeiten gestärkt.
  • Darüber hinaus sollte der Patient lernen, sich möglichst schonend und schmerzarm zu bewegen und seine vorhandenen Kräfte zu nutzen. Hierdurch werden weitere Schäden bei degenerativen Erkrankungen vermieden, bzw. vermindert, so dass der Patient auch künftig sein Leben aktiv und selbstständig gestalten kann.Dabei müssen medizinische Kontraindikationen genauso berücksichtigt werden, wie die individuelle Situation des Patienten, sein soziales Umfeld, seine beruflichen Perspektiven und seine persönlichen Bedürfnisse.

 

Es lassen sich so folgende Ziele formulieren:

  • Erhalt von vorhandenen Funktionen, Vermeidung von Funktionsminderung
  • Verbesserung der Beweglichkeit, Muskelkraft, Ausdauer und Belastbarkeit
  • Verbesserung der Feinmotorik und der manuellen Geschicklichkeit
  • Desensibilisierung von Amputationsstümpfen und Narben
  • Verbesserung der sensiblen Funktionen der oberen Extremitäten
  • Einhändertraining, evtl. Umschulung auf die nicht dominante Hand
  • Verbesserung und Erhalt der Selbstständigkeit und der Alltagskompetenzen, z.B. an- und ausziehen, schreiben, Schuhe binden, knöpfen oder Flaschen aufdrehen
  • Erlernen von Gelenkschutzmaßnahmen zur Reduzierung von schmerzbedingten Reaktionen
  • Schmerzreduktion und -dämpfung
  • Anregung des Stoffwechsels und Abbau von Mikroschwellungen/-traumen
  • Verbesserung und Erhaltung der handlungsorientierten Koordination und Kraft
  • Kompensation verlorengegangener Funktionen, Erlernen von Ersatzfunktionen
  • Wiederherstellung von Alltagskompetenzen, auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel
  • Psychische Stabilisierung durch begleitende Gespräche über die Krankheitsverarbeitung
  • Berufliche Wiedereingliederung, Beratung zur schmerzlindernden und physiologischen
  • Arbeitsplatzgestaltung, PC-Training

 

Behandlungsmaßnahmen

Es werden aktive und passive Behandlungsmethoden angewandt.

 

  • Muskelfunktionstraining, z.B. zur Bewegungsanbahnung, Zunahme des Muskelquerschnitts,
  • Kraftzunahme, Steigerung der Belastbarkeit und Ausdauer
  • Koordinationstraining, z.B. zur effektiven Umsetzung von Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit als unbewusste, automatische Aktivität
  • Gelenkmobilisation zum Erhalt bzw. der Verbesserung des vorhandenen aktiven, schmerzfreien Bewegungsausmaßes und der Automatisierung fließender Bewegungsabläufe
  • Behandlungsverfahren und Maßnahmen bei sensiblen Dysfunktionen sowie Schmerzbehandlung, z.B. Schulung der Sensibilität, sensorischer Diskriminationsfähigkeit bzw. Desensibilisierung, in Form von Berührung, Streichungen, Knetungen, Klopfungen, Vibrationen, Massagen, Akkumat-Nadelreizmatte, Schröpfen, Dehnungen, Narbenbehandlung, usw.
  • Thermische Anwendungen (Wärme und Kälte), z.B. zur Vorbereitung und Unterstützung der aktiven und passiven Behandlungsverfahren (z.B. Gelenkmobilisation oder Muskeltraining), in Form von Eis, Gelpacks, Heißer Rolle, Kiesbad, Paraffinbad
  • Gelenkschutztraining, vor allem bei chronischen Polyarthritiden für einen schonenden, schmerzarmen, kraftsparenden Funktionseinsatz
  • („tape“,=Verbandspflaster) Taping ist eine funktionelle Verbandstechnik. Pathologisch veränderte Gelenke werden stabilisiert und vor weiteren Traumatisierungen geschützt. Hierbei handelt es sich um eine teilweisen Ruhigstellung, d.h. nur die schmerzhaften Bewegungen (im verletzungsträchtigen Funktionsausmaß) werden gehemmt. Damit bleiben die wichtigen heilungsfördernden (noch freien) Gelenksbewegungen erhalten. Der Stoffwechsel wird aktiviert und der Abtransport von Metaboliten wird gefördert. Damit ist eine maximale Stabilität bei größtmöglicher Mobilität gewährleistet.
  • Schienenherstellung, umfasst die Anpassung und die Einübung des Gebrauchs von Lagerungs- und Funktionsschienen zur Unterstützung des Heilungsprozesses, eines Funktionstrainings, gelenkschützender Maßnahmen oder Redression kontrakter Strukturen
  • Belastungstraining, soll durch berufsspezifisches und berufsähnliches Training die beruflichen Perspektiven verbessern, bzw. erweitern
  • Adaptative Verfahren zur Erweiterung der individuellen Handlungskompetenz, diese beinhalten:

 

  1. das Training von alltagsrelevanten Tätigkeiten unter den veränderten Bedingungen von Krankheit und Behinderung
  2. die Beratung bezüglich geeigneter Hilfsmittel, deren Erprobung, Beschaffung, Anpassung, als auch die Einübung im Umgang damit
  3. die Beratung zur Integration in das häusliche und soziale Umfeld
  4. die Anleitung von Angehörigen, sowohl im Umgang mit dem Patienten, als auch im Umgang mit Prothesen und anderen Hilfsmitteln
  5. die berufliche Wiedereingliederung mit Arbeitsplatzadaptation

Diese Therapieform
kann bei folgenden Diagnosen
angewendet werden:

  • Rheumatischen Erkrankungen (Arthritis)
  • Arthrose
  • Erkrankungen der Wirbelsäule
  • Verletzungen der Sehen, Bänder , Gelenkkapseln und Knochen
  • Komplexe Handverletzungen, z.B. nach Quetschungen, Brüchen, Sägeverletzungen
  • Amputationen
  • Nervenläsionen, z.B. Ulnarisläsionen, Radialisläsion
  • Karpaltunnelsyndrom, M. Duypuytren
  • Morbus Sudeck
  • Brandverletzungen
  • Vor- und Nachbehandlung aller Operationen
  • Postoperative Narben
  • Tennisarm (Epicondylitis)  
  • Schultersteife 
  • Zustand nach Schlaganfall (Apoplex), z.B. Halbseitenlähmung (Hemiplegie) 
  • Zustand nach cerebraler Blutung, Hypoxie 
  • Zerebralparesen
  • Schädelhirntrauma 
  • Arteriosklerotische Veränderung, Ataktische Störung, Degenerativer oder entzündlicher Prozess des zentralen Nervensystems, Hirnhautentzündung, Gehirnentzündung,
  • Hirnorganisches PsychosyndromQuerschnittslähmung

     

  • ALS 
  • Periphere Nervenläsionen, Polyneuropathie 
  • Periphere Parese 
  • Plexusparesen

Weitere Therapieformen